Ateliergespräche (Teil 1)
Sie haben unter anderem das Fifa-Hauptgebäude und das Widder Hotel in Zürich sowie das Gipfelrestaurant Weisshorn in Arosa gebaut. Alles prestigeträchtige Projekte. Nun bauen Sie in der Provinz. Was hat sie am Projekt «Caspar» denn gereizt, und was ist Ihrer Meinung nach die Qualität des Standorts Muri?
In Muri befindet sich das ehemalige Benediktinerkloster, eine Fürstabtei von grosser historischer Ausstrahlung, ein Kulturgut von nationaler Bedeutung. Heute ist Muri ein vitaler Bezirkshauptort. Die Bauherrschaft «Caspar» fördert die Entwicklung mit einer weitsichtigen Investition. Ich frage nicht, ob ein Projekt in der sogenannten Provinz oder in einer Grossstadt liegt, sondern ob es
sich um eine aufgeschlossene Bauherrschaft und eine architektonisch spannende Aufgabe handelt. Das trifft auf Muri absolut zu.
Für uns Laien: Wie geht man als Architektin einen solchen Auftrag an, der ja aus einer Kombination von Neu-
und Altbauten besteht, also nicht grad 08/15 ist?
Alles, was von 08/15 abweicht, fordert mich heraus. Ich setze mich mit den Wünschen und Zielen der Bauherrschaft auseinander, schaue mir sorgfältig die Umgebung an, studiere alte Pläne und erkunde die Gebäude bis in den hintersten Winkel. Mir ist es wichtig,
die Stärken und Schwächen – auch die verborgenen – eines Bestandes zu erfassen. Ich arbeite wie ein Detektiv oder ein Psychiater. Es ist für mich zwingend, in Übereinstimmung mit dem Gebäudecharakter zu bauen und umzubauen und niemals die Konfrontation zu wagen. Alle würden verlieren. Denn das Neue steckt im Alten. Habe ich diese vertieften Erkenntnisse, überlege ich mir erste Entwürfe, die ich von Hand zeichne, und entwickle daraus mit meiner Leidenschaft für Qualität bis ins Detail, Schritt um Schritt, die Pläne, überarbeite sie noch und noch, bis es für mich stimmt.
Das «Caspar» ist in unmittelbarer Nachbarschaft zum berühmten Kloster. Wie stark hat dieser Umstand bei der Konzeption mitgespielt?
In der Nähe des architektonisch herausragenden Klosters, das Muri prägt, müssen Umbauten und Neubauten den Vergleich bestehen können. Noblesse oblige.